Maske

Ich bin Raphael Raabe. Das stimmt nicht ganz. Das ist nur ein Künstlername. Eigentlich weiß ich nicht, wer ich bin. Selbst wenn hier mein echter Name stünde, würde mein erster Satz nicht wahr sein. Ich bin nämlich definitiv nicht mein Name.

Bist Du etwa Dein Name?

Ich frage mich seit geraumer Zeit, wer (oder was) ich wirklich bin. Wenn ich sage “wirklich”, dann meine ich wirklich “WIRKLICH”! Die meisten Menschen erzählen eine Geschichte, wenn sie eine Antwort auf diese Frage geben müssen. Ironischerweise glauben sie sogar daran, wie ein Kind an den Weihnachtsmann. Ich hoffe, ich habe Dich nicht verstört. Du bist sicherlich nicht hier, um über irgendwelche tausend Jahre alten, philosophischen Fragen zu kontemplieren. Darum soll es hier auch nicht gehen.

Gleichwohl beziehen sich die meisten hier präsentierten Werke auf etwas, womit wir uns stark identifizieren: unser Gesicht. Wir schauen täglich in den Spiegel und fühlen ein konstantes, kontinuierliches Gefühl der Existenz eines Ichs, obwohl wir in Wahrheit in jedem Moment sterben und wieder neu geboren werden. Das ist das übersehene Offensichtliche. Unsere Gesichter dienen als Repräsentanten zur Außenwelt. Manchmal unterstützen sie uns als eine Maske zur impliziten Leugnung der Wahrheit. Meistens helfen sie uns aber in der Kommunikation mit unseren Mitmenschen. Säuglinge kommunizieren sogar in großen Teilen über ihre Mimik mit der Außenwelt.

Selbstverständlich kann unser Gesicht nicht das sein, was wir wirklich sind, weil ich bereits von einer Außenwelt gesprochen habe. Das impliziert eine Innenwelt. Demzufolge muss unser wahres Ich in der Innenwelt liegen, weil unser Gesicht das Fenster zur Außenwelt darstellt. Davon abgesehen, würden die meisten Menschen nach einer Gesichtsoperation sich selbst als ihr altes Ich identifizieren und nicht als ein neues Ich, nur weil ihr Gesicht sich verändert hat. Um diese Tatsache zu realisieren, braucht es nicht mal eine Gesichtsoperation: Im Laufe des Erwachsenwerdens durchläuft das menschliche Gesicht, überspitzt und unwissenschaftlich ausgedrückt, eine regelrechte Metamorphose. Natürlich existieren viele Wiedererkennungsmerkmale in den Gesichtszügen einer Person, wenn man bspw. alte und aktuelle Fotos der Person miteinander vergleicht. Dennoch ändert sich das Gesicht im Laufe des Lebens und kann demnach kein kontinuierliches, konstantes Ich sein.

Ach das wird wieder zu philosophisch … Ich möchte an dieser Stelle einfach einer meiner Lieblingskünstler, Zdzisław Beksiński, zitieren:

“Meaning is meaningless to me.
I do not care for symbolism and
I paint what I paint without meditating on story.”

Ich habe leider nicht die originale polnische Version des Zitats gefunden, aber das ist irrelevant. Relevant ist nur, dass es bei den hier präsentierten Werken um keine Geschichten geht. Es gibt nichts zu analysieren oder zu interpretieren. Ich habe einfach die Porträts derjenigen Personen gemalt, die ich bewundere, schätze oder liebe. Es ging nur um die reine Glückseligkeit, die ich im Kreationsprozess verspürt habe, egal ob es sich bei den Motiven um gefühlvolle Gesichter oder um wunderschöne Wesen der Natur handelte. Das ist alles.